Blumenbachs Symbolrolle in der Rasseforschung muss in Göttingen aufgearbeitet werden (PM August 2020)

Seit Juli gibt es in Göttingen eine Debatte um den Umgang mit dem Biologen Johann Friedrich Blumenbach (1) nach dem das zoologische Institut an unserer Universität benannt ist. Als Antwort auf unsere Kritik am Namen des Instituts haben (akademische, weiße) Vertreter*innen der Akademie der Wissenschaften und Geschichtswissenschaftler Peter Aufgebauer mehrfach Blumenbachs Ikonisierung verteidigt, unter anderem durch die Argumentation er sei der “Begründer des wissenschaftlichen Antirassismus”. Wir als Basisgruppe Umweltwissenschaften finden diese Bezeichnung und den Umgang mit unserer Kritik enttäuschend und problematisch. Wir möchten dabei betonen, dass wir mehrheitlich weiß sind und diesen Text aus einer weißen Perspektive schreiben, für Kritik und Anmerkungen sind wir offen. 
 
Mitarbeitende von Blumenbach-Online (ein Projekt der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen) haben mehrfach öffentlich die Verwendung Blumenbachs Namens in der Biologie verteidigt und ihn als “Begründer des wissenschaftlichen Antirassimus” bezeichnet. Obwohl diese Aussage kein wissenschaftlicher Konsens ist, haben sie diese Meinung, die auf ihrer eigenen Interpretation basiert, mehrfach in der Öffentlichkeit, u.a. im Göttinger Tageblatt und blumenbachs Wikipedia Artikel geäußert. Prof. Gerhard Lauer, Leiter des Projekts, sprach sich in einem Interview mit dem GT auch gegen eine Demontage des Göttinger Kolonialkrieg-Denkmals aus. Die Argumentation Lauers und seines Mitarbeiters Heiko Weber auf Wikipedia lassen nicht auf eine rassismuskritische Ausrichtung des Projekts schließen. 
 
JFB war vergleichsweise humanistisch für sein Zeitalter und betonte sehr früh den gemeinsamen Ursprung aller Menschen. Trotzdem teilte er die Menschheit nach äußerlichen Merkmalen in Gruppen ein und bewertete auch deren Ästhetik nach seinem verzerrten Weltbild. Blumenbach prägte den Begriff “kaukasisch”, der bis heute trotz/wegen seiner rassistischen Bedeutung verwendet wird. Er war einer der ersten Wissenschaftler, die Rassentheorien öffentlichkeitswirksam “wissenschaftlich” aufstellten. Seine biologistischen Konzepte wurden (und werden) genutzt, um weiße Einheitlichkeit, Überlegenheit und rassistische und kolonialistische Gewalt zu begründen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Idee, Blumenbach “Kränze zu flechten”, wie Lauer uns im GT rät, mehr als absurd. Auch wenn Blumenbach “progressive Meinungen” geäußert hat, lässt sich sein Symbolcharakter für das Konstrukt von menschlichen Rassen nicht ausblenden.
 
JFB ist als Gründungsmitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen für die heutigen Mitglieder sicherlich von Bedeutung. Eine Person mit einem Symbolcharakter für wissenschaftlichen Rassismus jedoch öffentlich zu ikonisieren und sogar als Antirassist zu bezeichnen zeigt eine völlig falsche Auffassung von Rassimus/Antirassismus. Einen Mensch, der Rassentheorien aufgestellt hat, dessen rassistische Terminologie bis heute verwendet wird, als Antirassisten zu bezeichnen ist anmaßend. Die Vehemenz mit dem ihm ein Platz im öffentlichen Raum immer wieder eingeräumt wird und seine (biologistischen) Rassismen als “Zeitgeist” abgetan werden, lesen wir als Unwilligkeit, sich mit den eigenen Privilegien und Rassismen zu befassen. 
 
Für uns geht der Name des Instituts eben auch einher mit Rassismen, die von Blumenbach geprägt wurden. Das Symbol, dass die biologische Fakultät, die Akademie der Wissenschaften und die Georgia-Augusta mit dem Blumenbach-Institut aussenden, möchten wir als Studierende der Fakultät und Universität nicht mittragen. Wir fordern eine Umbenennung und eine rassismuskritische Arbeit/Aufarbeitung.