Stellungnahme der Basisgruppe Umweltwissenschaften zu Sturz und Entfernung der Büsten von Haeckel und Blumenbach im zoologischen Institut.

Im Zuge der weltweiten Proteste gegen rassistische (Polizei-)Gewalt nach den jüngsten Morden in den USA wird nicht nur ein Ende aktueller rassistischer Gewalt gefordert, sondern auch die umfassende Aufarbeitung kolonialer und rassistischer Geschichte.
 
Als Symbole dieser Vergangenheit und der fehlenden Aufarbeitung wurden zahlreiche Statuen umgestürzt, die zu Ehren von Kolonialverbrecher*innen, Sklavenhändler*innen und weiteren Köpfen oder Händen des Rassismus aufgestellt wurden. Auch an der Universität Göttingen sind in der vergangenen Woche zwei Büsten umgestürzt und vom Institut nachträglich unkommentiert entfernt worden. Hierbei handelte es sich um die von Ernst Haeckel und von Johann Friedrich Blumenbach.
 
Haeckel war einer der einflussreichsten Forscher des 19. Jahrhunderts, bekannt als der wichtigste Vertreter der Evolutionstheorie im deutschen Sprachraum. Zeitgleich förderte er auch rassistische, eugenische und sozialdarwinistische Ideen auf akademischer und politischer Ebene. Seine rassistische Abwertung von Menschen im akademischen Kontext haben eine vermeintlich biologisch-wissenschaftliche Rechtfertigung von Kolonialverbrechen und Genoziden erschaffen. Auf seine menschenverachtende und wissenschaftlich falsche Arbeit wurde sich unter anderem in der NS-Zeit berufen (1).
 
Johann Friedrich Blumenbach gilt als einer der “Väter der Anthropologie” im deutschsprachigen Raum. Obwohl Blumenbach für seine Zeit vergleichsweise humanistisch argumentierte, war er einer der ersten Wissenschaftler*innen, die Menschen anhand von Schädelformen in unterschiedliche “Varietäten” einteilten. Diese “Varietäten” entsprechen sozialen Konstrukten. Als einer der ersten Rassentheoretiker hat Blumenbach die Grundlagen für einen Zweig der Anthropologie geschaffen, der die jahrelange Ausbeutung und Unterdrückung nicht-weißer Menschen “wissenschaftlich” rechtfertigte. Dieser Zweig, die sogenannte “Rassenforschung”, ist für heutigen systemischen Rassismus mitverantwortlich und hat immer noch Überbleibsel in der Wissenschaft (z.B. in Form von IQ-Forschung). An unserer Universität hat Blumenbach seine Dissertation geschrieben, in der er morphologische mit physiologischen Merkmalen verknüpfte und ästhetisch bewertete (2). Weiterhin hat er in Göttingen eine anthropologische Sammlung angeschafft mit einer Vielzahl von menschlichen Schädeln, deren Herkunft noch in den kommenden Jahren geklärt werden soll (3).
 
Es ist ein Anfang die Büsten von Haeckel und Blumenbach zu entfernen, Rassismus lässt sich aber nicht einfach stumm in eine Hinterkammer verräumen. Durch das Benennen von Instituten nach Rassisten bietet die Fakultät für Biologie und Psychologie Raum zu unhinterfragter Ikonisierung. Rassismus muss aktiv bekämpft werden und die Jenaer Erklärung hat uns gezeigt, wie ein Ansatz seitens der Wissenschaft aussehen kann. Wir fordern auch in Göttingen mehr als ein stummes Unter-den-Teppich-kehren, wir fordern eine Umbenennung des Johann-Friedrich-Blumenbach Instituts und eine aktive Aufarbeitung der Verantwortung der Biologie, Anthropologie und Psychologie bei menschenfeindlichen Narrativen!
 
 
(1) Hoßfeld, U. (2012). Biologie und Politik: die Herkunft des Menschen. Landeszentrale für Politische Bildung Thüringen.
(2) Bhopal R. (2007). The beautiful skull and Blumenbach’s errors: the birth of the scientific concept of race. BMJ (Clinical research ed.), 335(7633), 1308–1309. https://doi.org/10.1136/bmj.39413.463958.80